Freitag, 27. Januar 2017

Töpfchentraining für faule Eltern

Nach 3,5 Jahren ist mein Sohn endlich trocken. Obwohl uns das Thema bereits seit zwei Jahren beschäftigte, half nur eins: Abwarten, bis er soweit war.

Viele Mütter fangen relativ früh mit dem Töpfchentraining an. Sobald das Kind laufen kann, wird es auf den Pott gesetzt. Spielerisch, ohne Zwang und mit viel Aufwand wird jedes Geschäft beklatscht, gefeiert und zur Not auch etliche Zeit gemeinsam mit dem Kind auf dem Töpfchen verbracht. Für manche ist "windelfrei" sogar ein dogmatischer Erziehungsstil. 

("windelfrei" meint das frühstmögliche Abhalten des Kindes über Toilette und Waschbecken, damit es sich gar nicht erst angewöhnt, in seiner vollen Windel zu sitzen und sich nicht daran zu stören.)

Die Gedanken hinter der Windelfreiheit und dem frühen Töpfchentraining sind absolut nachvollziehbar und übten auch einen gewissen Reiz auf mich aus: neben weniger Müll durch Wegwerfwindeln geht es im Kern darum, dass Kinder eigentlich von Geburt an keine "Nestbeschmutzer" sind und deutliche Signale senden, wenn sich ein Geschäft anbahnt.

Wenn Eltern diese Signale lesen können und zu deuten wissen, verdienen sie sich nicht nur die "attachment parenting at it's best" Medaille, nein, ihre Beziehung zum Kind ist zugewandt und stets aufmerksam.

Und bereits daran scheiterte ich. Ich war meistens froh, wenn ich im Ansatz überhaupt erahnen konnte, was das Kind aktuell von mir wollte. Ihm dann auch noch hinterher zu rennen, wenn es sich zum Geschäft in die Windel zurückzog, überstieg dann doch meine Kapazitäten. Sogar bei Kind Nr. 2 empfand ich das Stillen als viel zu anstrengend, als dass ich ihm zeitgleich auch noch eine Schüssel unter den Hintern halten konnte. Ich war froh, wenn es oben überhaupt zufriedenstellend reinging, da war für das untere Ende keine Aufmerksamkeit mehr möglich.

"Wer will aufs Töpfchen?" - mein Kind nicht
Aber weil ich mir das Leben gerne unnötig schwer mache, nervte ich mein Kind trotzdem mit dem Thema. Ich nahm mir vor über zwei Jahren ein Beispiel an meinen Freundinnen: Als er anfing, sich für unsere Toilettengänge zu interessieren, bekam er alle Möglichkeiten von uns gestellt, dabei "mitzumachen" und mit dem ersten Geburtstag von Sohn 1 zogen auch diverse Töpfchen, Toilettenaufsitze und Klobrillen bei uns ein.

Mit den Töpfchen machte er so ziemlich alles: er benutzte sie im Laufe der Jahre als Hocker, zum Kochen in seiner Spielküche, als Hut oder als Aufbewahrungsmittel, aber nie nie nie ging auch nur ein Tropfen Pipi da rein. Im Gegenteil, er weigerte sich konsequent, sich darauf zu setzen. Zumindest wenn er nackt war, denn phasenweise aß er gerne eine Banane auf dem Topf. Warum auch immer.


Banane essen geht
Je älter er wurde (und je mehr gleichaltrige Freunde trocken wurden), um so engagierter wurde ich, ihm das Töpfchen näher zu bringen. Sogar als er mit 3 Jahren schon durchaus vernunftbegabt und diskussionsfreudig war, half gar nichts. Weder Überreden, noch Bestechen oder Motivationsversuche meinerseits. Sogar Gummibärchen lockten ihn irgendwann nicht mehr aufs Klo und er weigerte sich schlicht, sich auszuziehen und drauf zu setzen. Sobald ich ihm die Windel ausziehen wollte, gab es richtiges Geschrei. Bei ihm wirkte noch nicht einmal Gruppenzwang. Sogar das einzige Kind seiner Kindergartengruppe mit Windel zu sein, kratzte ihn nicht.

(Immerhin ist er kein Mitläufer...)

Da ich mich nicht über das körperliche Selbstbestimmungsrecht meines Kindes hinwegsetzen mochte, blieb die Windel also an (Punkt 5 meines Blogposts über feministische Erziehung). Aber ja, wenn es ums Baden, Duschen und Wickeln bzw. Trockenwerden geht, wird es damit durchaus...schwierig.

Zumindest für die meisten Außenstehenden, da mir (wie immer) nur mangelnde Konsequenz vorgeworfen wurde. Mich beschlichen aber auch langsam  ein paar Zweifel.

Muss ich ihn doch zwingen? Wird er die Windel anbehalten, bis er zur Schule geht und von allen Kindern ausgelacht werden? Bin ich wirklich einfach nur zu inkonsequent? Heißt 'Töpfchentraining' nicht wirklich Üben, Üben, Üben?

Zeit fürs Trockenwerden
Problematisch war im letzten Jahr auch, dass unser Sohn einiges mitmachen musste. Neben der Entthronung durch die Geburt seines kleinen Bruders und den Umzug mit der Eingewöhnung in einen neuen Kindergarten und dem Wechsel der Zuständigkeiten Zuhause, war er auch mit der richtigen Trotz....ähm, Autonomiephase beschäftigt.

Wir fanden also genügend Gründe, ihm seine Windel zu lassen (faule Eltern halt). Um Weihnachten rum, wir waren mittlerweile ein halbes Jahr in der neuen Heimat angekommen, war aber Schluss mit den Ausreden. Das Kind wurde 3,5 und ihn zu wickeln war mittlerweile eh alles andere als angenehm. Ich wollte nicht mehr. Ich hatte keine Lust mehr auf das Theater beim Wickeln, auf seine Gegenwehr beim Umziehen und auf seine Ablehnung, was das Töpfchentraining betraf.

Wie überzeuge ich aber ein Kind, das partout nicht will? Wenn es sich nicht bestechen oder überreden lässt und Gewalt in Form von Zwang oder Erpressung oder Drohungen nicht in Frage kommen? (mal davon abgesehen, dass er sich davon einfach nicht beeindrucken lässt...)


Mamas Protest
Mittels Sitzstreik. Ich setzte mich im Bad auf den Boden und ließ ihn so lange nicht mehr raus, bis er sich wenigstens einmal auf das verdammte Klo gesetzt hat. Er sollte es doch einfach nur mal probieren, mehr nicht. Kritische Stimmen sehen berechtigterweise hier durchaus eine Form von Zwang, aber auch in einer demokratischen Erziehungsform darf ja wohl protestiert werden.

Nein, ehrlich, ich war ratlos.

Also verbrachten wir eine Weile gemeinsam im Bad und ich nervte ihn so lange, bis er seine Ruhe vor mir haben wollte und sich auf die Toilette setzte. Das wurde von mir natürlich entsprechend gelobt und mit Begeisterung honoriert. Von da an war das Eis gebrochen und er ging gerne auf die Toilette. Drahtseilakt war das Einnässen und Saubermachen. Mein Kind hasst Baden und Duschen und sobald etwas in die Hose ging, war Fingerspitzengefühl angesagt, damit sein Frust nicht dafür sorgte, dass er doch lieber wieder die Windel anzog.

Das Kredo bliebt nämlich: er wurde nicht gezwungen, die Windel auszuziehen. Wollte er sie haben, bekam er sie.

Als sich irgendwann im Laufe der ersten Tage aber auch mal Erfolg einstellte und er IN die Toilette machte, war sein Ehrgeiz geweckt. Mit jedem Mal klappte das Einhalten besser und binnen einer Woche ging er so selbstverständlich aufs Klo, als hätte er nie was anderes gemacht. Danach kam es wirklich selten vor, dass er in die Hose machte.

Wir steigerten uns auch langsam. Für das große Geschäft verlangte er erst noch die Windel und wenn wir unterwegs sind, behält er sie auch an (bei den Temperaturen ist mir eine Verkühlung einfach zu riskant). Mittlerweile geht er auch fürs große Geschäft auf die Toilette, ist im Kindergarten komplett trocken und bleibt für kurze Strecken ebenfalls ohne Windel. Er ist letztens sogar nachts mal aufgestanden und (trotz Windelslip) auf die Toilette gegangen.

Und das binnen vier Wochen, was ich echt ziemlich beeindruckend finde.

Fazit
Ob es jetzt unsere Faulheit war oder wir uns einfach  nur nicht gegen seinen Protest durchsetzen konnten, das Ergebnis zählt, finde ich. Wir haben uns ziemlich viel Theater und Umstände damit gespart, wirklich einfach abzuwarten, bis er soweit war. Ob wir ihn auch vor einem Jahr oder noch früher "soweit gekriegt hätten" kann ich natürlich nicht sagen. Ich fand unser tatsächliches "Töpfchentraining" aber wirklich undramatisch und bin immer noch über den kurzen Zeitrahmen verwundert, den er gebraucht hat, um wirklich trocken zu werden.

Deshalb: Abwarten ist vermutlich DAS Töpfchentraining für so faule Eltern wie uns ;).

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