Freitag, 29. Juli 2016

Mythbusters #5 - Der Frust mit der Lust oder Sex im Familienalltag

Heute schreibe ich über ein offenes Geheimnis, das die meisten mehr oder minder peinlich berührt unter den Teppich kehren: die Sexlosigkeit nach der Geburt des ersten Kindes

Wenn man die Schwangerschaft, Geburt und die erste Zeit mit dem Neugeborenen überstanden hat, stellt sich vieles wieder ein. Bis auf das Sexleben. Das wird wie bei den meisten anderen Themen, die mit Mutterschaft zu tun haben, irgendwie anders dargestellt.

Ob in der Werbung, bei der beide dank Oma als Babysitter wie Teenies übereinander herfallen (haha) oder von den Supermüttern, die trotz Hausfrauenalltag noch Lust auf ihren Mann haben anstatt ihn nach Feierabend lynchen zu wollen (hahaha)  oder - mein Favorit - von Familienbettbefürworterinnen und Langzeitstillenden, die jetzt ein besseres Sexleben haben als vorher (hahahaha).

Lügen die?

Ja, ich denke schon. 

Wie bei so vielen anderen Dingen. Denn ganz ehrlich, Sex und Kinder haben, das schließt sich erstmal aus. Zumindest in der Form, wie man es vorher gewohnt war. Das sorgt nicht nur für Frust auf allen Seiten sondern auch für enttäuschte Erwartungen und vielleicht sogar für handfesten Beziehungszwist. Die nachvollziehbarsten Gründe für Sexlosigkeit sind natürlich Müdigkeit, Hormonumstellung und Gelegenheit, aber daneben gibt es noch viele andere Dinge, bei denen einem die Lust vergeht.

1. Geburts- und Körpertraumata
Wer unter langfristigen Folgen der Geburt leidet, muss diese auch erstmal aufarbeiten (können/dürfen/müssen), bevor man sich vorstellen kann, wieder Spaß und Lust mit und am Körper zu haben. Seien es Geburtsverletzungen, die mitunter wirklich lange genau die Zonen betreffen, die beim Liebesspiel zentral sind, oder andere (Un-)Empfindlichkeiten an Körper und Geist.

Zärtlichkeiten können so wirklich unangenehm sein und der Partner muss im Vorfeld über die Regionen informiert werden, die er besser meiden sollte, um nicht einen totalen Lustkill zu verursachen. Auch führt die Angst vor einer erneuten Schwangerschaft dazu, sich nicht so unbefangen Fallenlassen zu können.

Diese Probleme kleinzureden ("dein Baby ist doch gesund", "dafür hast du jetzt ein sooo süßes Baby", "ein Kaiserschnitt/Dammriss/andere Geburtsverletzungen sind auch nicht lustig", "man muss sich einfach überwinden") hilft übrigens NICHT.

2. Kinder decken den täglichen Bedarf an Körperkontakt
Vor allem in den ersten Jahren vergeht kaum eine Sekunde am Tag, in dem die Kinder nicht an der Mutter kleben. Das sorgt bei mir zumindest für eine Art Überdosis an Körperkontakt und Fremdbestimmtheit, von der ich mich erholen muss, wenn ich kinderfrei habe. Das Baby will nur getragen werden und das Kleinkind, mit seinen Augen auf meiner Schritthöhe, kennt weder Befangenheit noch Zurückhaltung bei seinen Fragen und Aufdringlichkeiten.

Abends, wenn sie schlafen (WENN sie schlafen), will ich meine Ruhe und eine Zone aus Privatssphäre um mich herum. 

Kuscheln mit dem Mann auf der Couch, wenn ich vorher stundenlang die Kinder bekuscheln musste und ständig angetatscht wurde? Eher nicht.

3. Stillbrüste und Liebesspiel
Wer sein Baby stillt, weiß, was das mit den Brüsten macht. Die erste Zeit tut unglaublich weh und später hat man mit allerhand anderen Problemen zu kämpfen, warum die einstige erogene Zone zur Verbotszone mutiert. Wenn sich alles eingependelt hat und man vielleicht sogar längere Zeit stillt, ergeben sich...ich nenne es mal "Kompabilitätskonflikte".
Ich zumindest habe ein ernsthaftes Problem damit, erst mein Baby an den Brüsten trinken zu lassen und sie dann für sexuelle Zwecke zu verwenden. Oder umgekehrt.

Vielleicht ist das verklemmt, aber in meinem Kopf passt das nicht zusammen, bzw. kann ich den Schalter schlicht nicht so schnell umlegen. Schließlich unterbricht das Baby einen auch mal und hat Hunger. Für alle anderen ist das "ja so natürlich" (oder sie erzählen es nur), ich für meinen Teil finde das schräg und befremdlich. In diesem Bereich bin ich entweder Mutter oder Frau, die Kombination gelingt mir nicht.

4. Das Familienbett
Ja ja, das Familienbett. So viele schwören darauf und behaupten ständig, dass dies dem Sexleben keinen Abbruch tut. Was sind das für Menschen? 

Oder sind nur meine Kinder so nah bei uns und so leichte Schläfer, dass mir da Gedanken an Sex oder Vorspiel einfach total abstrus vorkommen, wenn die neben mir liegen? Die Patentantwort von Familienbettbefürwortern zum Thema Sex ist ja immer "man muss ja nicht nur im Bett Sex haben *kicherkicher*". Ja, stimmt. Klar, man kann ausweichen. Man MUSS ausweichen. Aber das ist umständlich und kompliziert. 

Ich bin schließlich keine 18 mehr und im Dunkeln fallen wir dann eher über die liegengebliebenen Spielsachen als über einander her. 

Eltern werden und ein Paar bleiben, das ist unfassbar schwierig. Nicht unmöglich, aber in den ersten Jahren nach der Geburt des ersten Kindes (oder der Kinder) stehen andere Dinge auf der Prioritätenliste als das Sexleben in Schwung zu halten. Vielleicht hilft einem die Statistik, dass für Frauen der Sex ab 40 eh der bessere ist als noch mit 20. Dann, wenn die Kinder groß und aus dem Familienbett raus sind, kann man nochmal die Sau raus lassen.

Deshalb spare ich mir an dieser Stelle auch Tipps und Tricks, wie man "Mutter wird und trotzdem Frau bleibt". Denn ganz ehrlich, das setzt eher unter Druck als einfach zu akzeptieren, dass Sex in den ersten Jahren nach der Geburt des ersten Kindes schlicht gar nicht bis wenig statt findet.

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