Dienstag, 10. November 2015

Von Schokolade, Bahnfahrten und einer langen Freundschaft

"Wollen wir auf eine große Reise gehen?" Mit dieser Frage begann unser kleines Abenteuer, das Mila und ich erleben wollten. Morgens um 9 Uhr standen wir parat am Bahnsteig, der Eurocity ließ noch auf sich warten und wir naschten die ersten Äpfelchen. In unseren Taschen befand sich mehr Proviant als Kleidung: Mehrere Brötchen, natürlich Kekse und ein paar Äpfel und Bananen. Bald fuhr der EC ein, an dessen Stirn leuchtende Buchstaben das Reiseziel verrieten: Zürich!

Ich freute mich auf ein Wochenende allein mit meiner großen Tochter. Mit singen, basteln, lesen, schlafen und immer wieder essen vertrieben wir uns die sechsstündige Zugfahrt, bis wir in Zürich ankamen. Ich trug Rucksack und Umhängetasche, Mila ihre Kindergartenrucksack und den Buggy klappte ich gerade auseinander, als wir in der Menge meine Freundin mit ihren Kindern entdeckten. Munter plauderte ihre Tochter (3,5 Jahre) auf mich ein, als würde sie mich ewig kennen (Wir sahen einander das erste Mal.). Während Mila und der kleine Junge (1 Jahr) noch schüchtern in ihren Buggys abwarteten, was weiter geschehen würde, fiel ich meiner Freundin um den Hals: Jetzt war ich endlich angekommen! Und ich meine nicht nur in Zürich!

Meine Freundin S. ist meine älteste Freundin 

und mit "ältest" meine ich, dass wir uns ein Leben lang kennen. 
S. und ich am Zürichsee
Unsere Eltern waren befreundet und wir wuchsen gemeinsam auf. Wir besuchten zusammen den Kindergarten und die Grundschule, bis uns zunächst die weiterführenden Schulen, dann ihr Wegzug mit 12 Jahren nach Bayern trennten. Aber eine entgültige Trennung gab es nie. In den Ferien besuchte sie mich und ich unternahm nach dem Abi und in der Ausbildung zwei Reisen in ihre neue Heimat. Dennoch lag unser letztes Treffen inzwischen drei Jahre zurück und zwischenzeitlich bekamen wir insgesamt noch drei Kinder. Es war viel passiert.

"Sprechen die Züricher eigentlich deutsch?" 
Meine Freundin behauptete, die Züricher sprächen deutsch, doch als wir das erste Geschäft verließen, musste ich nachhaken: "Bist du sicher, dass die Leute hier deutsch sprechen?" Ich verstand niemanden, aber in die Schweizer Schokolade habe ich mich verliebt. Wir aßen Schokolade mit Mandelsplittern, wir naschten Schokolade mit Joghurt und genossen  Luxemburgerli. Liebe geht durch den Magen. Auch optisch hat die Stadt gleich zwei Trümpfe im Ärmel: Einen See UND einen Fluss! 

Die Kinder fanden Freude aneinander. Sie spielten zusammen und zankten recht wenig. Mila steckte altersmäßig zwischen den beiden und spielte sowohl mit dem Jungen als auch mit dem Mädchen. Morgens stand sie auf und schaute nach, ob noch alle da waren. Sie genoss den Trubel. 
Ich mit ihrem kleinen Sohn

Wir besuchten Spielplätze und Spielwarengeschäfte, wir fuhren mit dem Schiff auf dem Zürichsee, wir aßen in der Stadt zu Mittag und bummelten durch Geschäfte. Und wenn der Tag dem Ende entgegen schlich, wurde es noch einmal spannend. Während die Kinder schliefen, ließen wir auf dem Sofa den Tag revue passieren. Wir tauschten uns aus: "Weißt du, was er heute macht?", "Hast du mal wieder von ihr gehört?" und erinnerten uns an Früheres. 

Wir vertrauten uns einander an. 
Nach Jahren sprachen wir miteinander, als hätten wir uns erst kürzlich noch gesehen. Vor der Reise hatte ich etwas Bammel, wem ich da begegnen würde. Drei Jahre sind lang und wir hatten nur sehr sporadisch Kontakt gehalten. Ich wusste, dass die Schweiz ein reicheres Land war als Deutschland und vielleicht würde sie meine Tochter und mich nach Marken abchecken. Vielleicht würde sie mir zeigen: Mein Haus, mein Boot, mein Auto, mein Swimmingpool. Ihr wisst, was ich meine?

Aber so war es nicht. Unser Abenteuer war eine kleine Reise in die Vergangenheit und gleichzeitig ein Ausflug in die Gegenwart. Wir sind uns noch immer ähnlich. S. und ich sind beide in den letzten Jahren Eltern zweier Kinder geworden, haben beide geheiratet und sind mit ähnlichen Aufgaben und Fragen konfroniert. Wahrscheinlich machen uns die Eltern-Erfahrungen sogar noch ähnlicher. Vorallem weil wir uns beide noch als MENSCHEN und nicht nur MÜTTER begreifen.

Nun nageln wir für nächstes Jahr gleich ein Treffen fest: Nur wir beide in einer fremden Stadt. Mal ohne Kinder. Auf jeden Fall lassen wir nicht wieder Jahre verstreichen, bis wir einander wiedersehen. Mit diesem Plan verließen wir den Züricher Bahnhof, beide Tränen in den Augen, einander winkend. Mila verteilte Handküsschen durchs Fenster, S. küsste zurück und ich stieg ein. Bis bald, bis bald, bis bald!

Mila am Ende der Reise


Habt ihr auch solche Freunde, die ihr schon ein Leben lang kennt?

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