Sonntag, 21. Juni 2015

Warum die deutschen Frauen keine Kinder kriegen

Solina hat in ihrem Blogpost ein paar Länder mit unserem verglichen und kam zu dem Ergebnis, dass die deutschen Unterstützungsangebote für Eltern eigentlich so gut oder noch besser (zumindest in Punkto Kindergeld) sind als bei unseren europäischen Nachbarn. Und trotzdem sind wir das Schlusslicht beim Geburtenindex.

Warum?



Da Kinderkriegen heute häufig eine selbstbestimmte Entscheidung ist, können Frauen für sich abwägen, wann und ob sie überhaupt Kinder bekommen. Nach reiflicher Überlegung scheinen sich viele für keins oder maximal ein Kind zu entscheiden, wie der Geburtenindex beweist. Und das aus sehr guten Gründen, wie ich für euch zusammengestellt habe:

Grund 1: Kinder machen Frauen im Alter arm

Die durchschnittliche Rente beträgt für Männer in Westdeutschland im Durchschnitt 1.003 Euro monatlich, während Frauen nur 512 Euro beziehen. In Ostdeutschland erhalten Männer 1.096 Euro Rente im Monat und Frauen 766 Euro. (Quelle: Deutsche Rentenversicherung 2013)

Ja, das ist wenig. Und es geht sogar noch weniger.

Mütter, die nach der Geburt der Kinder auf Grund von Wiedereinstiegsproblemen in ihren alten Job oder wegen der Unvereinbarkeit von Familie und Arbeit nur noch im Niedriglohnsektor gearbeitet haben, werden im Alter knapp 391 Euro zur Verfügung haben. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen....keine 400 Euro zum Leben.

Da wurde die Regierung also aktiv und rief die sogenannte "Mütterrente" ins Leben. Diese sollte eigentlich genau diese Ungerechtigkeit auffangen, ist aber nur der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein. Sie bedeutet nämlich nur eine Bruttorentenerhöhung pro Kind von 28,14 Euro im Westen und 25,74 Euro im Osten, die auch noch auf alle anderen Leistungen angerechnet wird und somit am Ende wirkungslos verpufft. Also, danke für Nichts! (Quelle: Mütterrente)
elternklagen.de

Grund 2: Die Ehe ist keine Absicherung mehr

Doch damit nicht genug. 2008 hat ein neues Unterhaltsrecht dafür gesorgt, dass der ehemalige Versorgungsanspruch für Geschiedene wegfällt und die sogenannte nacheheliche Eigenverantwortung eingeführt wurde. Dabei wird jede Ehe gleich behandelt und es spielt keine Rolle, wie lange die Ehe hielt oder wie viele Kinder (von der Frau) versorgt wurden. Wer nach 1977 geschieden wurde oder sich zukünftig scheiden lässt, wird von seinem Ex-Partner nicht mehr entschädigt.

Da mittlerweile jede zweite Ehe geschieden wird, ist es doch schon fast reiner Wahnsinn, sich auf die klassische "einer geht arbeiten, einer kümmert sich um das Kind"-Aufgabenteilung einzulassen.

Also sollten wir doch alle einfach weiterarbeiten! Trotz der Kinder. Einfach? Mit Sicherheit nicht...

Grund 3: Unvereinbarkeit von Arbeit und Familie. Für Frauen!

Und anstatt was an den oben aufgezählten staatlichen Benachteiligungen von (geschiedenen) Mütter zu ändern, will die Regierung alles daran setzen, Frauen so schnell wie möglich weg vom Herd zurück an die Arbeit zu "motivieren". Dafür gibt es seit August 2013 den rechtlichen Anspruch auf einen Krippenplatz für Kinder ab einem Jahr.

Wer schon mal einen gesucht hat, weiß, dass frau damit trotzdem nicht ihren prae-Kind-Status erreichen kann.

In den meisten Fällen sind die Öffnungszeiten der Krippen so eingeschränkt, dass bis auf der Teilzeit-Wiedereinstieg nichts anderes möglich ist. Womit wir dann also in der sogenannten Teilzeit- bzw. Mütterfalle gelandet sind. Denn sogar Frauen, die das Glück haben, in einen Job zurückkehren zu können, werden teilzeit mit ganz großer Sicherheit keine Karriere machen und damit etwas an ihrer drohenden Altersarmut ändern können. 

Von Frauen, die nach der Elternzeit eine Arbeit finden müssen, brauchen wir gar nicht erst anfangen.

Längst häufen sich die Berichte von gut ausgebildeten Müttern, die eine erfolglose Bewerbung nach der anderen schreiben. Zum Beispiel Ich bin eine dieser hochqualifizierten Mütter. Ein Kind zu haben, scheint für potenzielle Arbeitgeber ein Makel zu sein. Und so lange weiterhin männliche Chefs oder kinderlose Chefinnen darüber entscheiden, wer eingestellt wird, wird sich daran nichts ändern.

Dabei haben die Studentinnen zahlenmäßig nicht nur gleichgezogen, sie machen auch die besseren Abschlüsse als ihre Kommilitonen. Sie kommen nur nicht in den Führungspositionen an und sind nach wie vor auf den weiteren Karrierestufen unterrepräsentiert. Wer nämlich nicht in der Teilzeit- oder Mütterfalle hängen bleibt, stößt spätestens wegen dem sogenannten glass ceiling effect an eine gläserne Decke, die das Erreichen der Top-Führungspositionen unmöglich macht.



So. Und wer ist jetzt nochmal gegen eine gesetzliche Frauenquote?

Fazit

Vielleicht wurde deutlich, warum immer mehr Frauen aus rein rationalen und/oder pragmatischen Gründen auf Kinder verzichten. Oder warum sie sich zu nicht mehr als den 8,5 Kindern pro 1000 Einwohnern durchringen können. Wenn sie überhaupt den "richtigen" Zeitpunkt zwischen der Etablierung und der fast sicheren Zerstörung der Karriere erwischt haben. 

Und wo bleiben die Väter in der Überlegung?

Ja, das frage ich mich auch. So lange sich die meisten Familien für die klassische Rollenverteilung entschließen und die Mütter diejenigen sind, die höchstens Teilzeit arbeiten, werden die Mütter die Last weiterhin alleine tragen müssen. So lange es keine gerechte Vergütung für die Erziehung der Kinder gibt, wird sich jede Familie logischerweise fragen, wie viele Kinder sie sich überhaupt leisten kann. Vielleicht wird das neue Elterngeld Plus was daran ändern. Schließlich soll das Elternpaare unterstützen, die sich zu gleichen Teilen um Einkommen und Nachwuchs kümmern wollen. Keine Ahnung, wir werden es sehen.

Aber so lange es noch solche Dinge wie den Gender Pay Gap* gibt und Papa in den meisten Fällen mehr verdient als Mama, wird sich fast jede Familie in der Zeit, in der das Geld eh am knappsten ist (aka Familiengründungsphase), für eben diese, die Mütter benachteiligende Rollenverteilung entscheiden.

Wenn aber die Gruppe der Eltern immer kleiner wird, wird sich wenig ändern. Wie man im kürzlichen Kita-Streik gesehen hat. Wer badet es aus? Die Eltern. Wen interessiert es nicht? Den Rest der Gesellschaft.
Also, noch Fragen? 

*Der Gender Pay Gap meint das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen. Dieser beträgt knapp 23 %. Das heißt aber nicht, dass Frauen für die gleiche Arbeit um 23 % schlechter bezahlt werden - nein, denn bei gleicher Arbeit bekommen sie "nur" 8 % weniger als ihre männlichen Kollegen (bereinigter Index). Die 23 % Prozent Lohnunterschied kommen durch die häufigere Teilzeitarbeit von Frauen und ihren höheren Anteil in schlechter bezahlten Branchen zustande.  

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