Donnerstag, 2. Oktober 2014

Ein Tag im Leben von Chutriel

Momentan wohnen wir noch auf einer Baustelle in unserem kürzlich gekauften Mehrfamilienhaus mit M.s Eltern, das komplett renoviert wird. Aber so langsam kehrt der Alltag ein, der bei uns so aussieht:

5.30-6.30 Uhr: Aufstehen
Sohnemann wird wach. Ich mache ihm eine Flasche, in der Hoffnung, er würde noch eine Stunde weiterschlafen. Die Hoffnung wird eigentlich nie erfüllt.

Er soll sich ein bisschen alleine beschäftigen, damit ich noch dösen kann. Schließlich war er das letzte Mal vor knapp zwei Stunden wach. Alle sind müde, nur er nicht. Er bohrt mir seinen Finger in Augen und Nase, schreit "Da da da! Da! DA! DAAAAA!" und wirft mir das Buch ins Gesicht, das ich mir mit ihm ansehen soll. M. muss eh aufstehen und zur Arbeit, also schnappt er sich Sohnemann und zieht ihn an. Ich kann noch 10 Minuten schlafen.

M. geht duschen und setzt mir Sohnemann zurück ins Bett, der jetzt endgültig wach ist und durch die Gegend tobt. Bis ich mal in die Gänge komme, hat er meinen Schrank ausgeräumt, die Schubladen leer gemacht, alle Stecker aus den Steckdosen gezogen und jedes Stück Papier, das er in die Finger bekommt, aufgegessen. Spätestens, wenn er anfängt, an der Heizung hochzuklettern, stehe ich wirklich auf und suche im Klamottenberg vor dem Schrank was zum Anziehen. Ich räume halbherzig auf, weil hinter mir sowieso wieder ausgeräumt wird.

7.30 – 10 Uhr: unser Morgen
Wir frühstücken gemütlich zusammen (jeder ein Brot und für mich literweise Kaffee). Danach kommt die Hass-Zähneputzen-Orgie und ich könnte das Kind eigentlich schon wieder umziehen, weil er sich sein Brot in die Klamotten geschmiert hat. Mache ich aber nicht, schließlich kommt noch das Mittagessen. Ich lege ihm Spielsachen, ein Buch und einen Besen bereit (alternativ einen Wischmopp, das ist sein liebstes Spielzeug momentan) und gehe duschen.

Dabei behalte ich das Kind ständig im Auge und möglichst bei Laune. Ich singe ihm was vor, gucke mit ihm Bücher an (ja, unter der Dusche) und spiele Kuckuck! hinter dem Duschvorhang. Wenn er nicht am Wannenrand steht und mir seine Sachen vor die Füße wirft, stellt er im Bad irgendeinen Unsinn an: isst Klopapier, klettert in die Waschmaschine oder angelt nach dem WC-Stein. Ich beeile mich, weil er schnell ungeduldig wird und sich dann weinend an meine Beine klammert. Mich dabei einzucremen erfordert Akrobatik. Zähne putzen ist also das höchste meiner Beauty-Gefühle.

10-12 Uhr: so lang können ein paar Stunden sein
Wir verbringen den Vormittag mit Spielen, Buch anschauen und "ein bisschen Haushalt". Theoretisch könnte ich die ganze Zeit aufräumen. Mache ich aber nicht, er reisst eh alles wieder auseinander. Ich bin so müde, dass ich mich am liebsten hinlegen würde und zähle die Minuten bis zum Mittagessen.

Ist es wirklich erst halb elf? Meine Güte, ich fühle mich so, als wäre ich schon einen Halbmarathon gelaufen…

Meistens wasche ich vormittags Wäsche. Dafür trage ich Kind und Wäschekorb durch das halbe Haus (überall noch ungesicherte Baustellen, sowie eine Treppe). Auf dem Weg ignoriere ich Schwiegervaters „Der Rasen müsste mal wieder gemäht/der ganze Bauschutt weggebracht/die Garage aufgeräumt/das Unkraut gejätet/…werden“ und nicke halbherzig.
Mir fällt nur ein zickiges „Dann mach es doch selbst!“ oder ein weinerliches „Was soll ich denn noch alles tun?“ als Erwiderung ein. Also sage ich gar nichts und widme mich weiter der Vollzeitbespaßung  von Sohnemann.

12 Uhr: Mittagessen
Die letzte halbe Stunde ist er schon sehr ungeduldig und mault die ganze Zeit, da hungrig. Ich beeile mich also mit dem Essen. Entweder gibt es ein Gläschen oder ich taue was Eingefrorenes auf. Kochen geht mit einer heulenden Sirene vor der provisorisch gebauten Absperrung aus Kartons nicht. Beim Essen schlägt seine Müdigkeit voll durch und ich muss ihn mit Gesang und kleinen Spielchen bei Laune halten. Wenn ich Glück habe, habe ich ihn so müde gespielt, dass er schon beim Essen einschläft.

Er hat sich dabei komplett, mich halb und den Stuhl plus drunterliegenden Karton vollgesaut. Unter Geschrei wasche ich ihm Gesicht und Haare, ziehe ihn aus und versuche nebenbei, die restliche Sauerei wegzumachen. 

13-15 Uhr: Mittagsschlaf
Wir gucken uns noch das Einschlafbuch an und ich lege ihn ins Bett. Meistens schläft er schnell ein. In der Zeit kommen die Pakete. In allen drei Wohnungen, die ich bisher mit Kind bewohnt habe, klingelt der Postbote IMMER zur Mittagsschlafenszeit. Warum???

Mittlerweile habe ich also alles ausgestellt, bekomme nie meine Pakete persönlich zugestellt und bin für zwei Stunden am Tag nicht erreichbar.

Eigentlich wollte ich mich hinlegen. Ich verbringe aber die kinderfreie Zeit mit Aufräumen, Blog schreiben und Essen (zum ersten Mal seit Stunden). Jetzt erledige ich alle Dinge, die ich mit Kind nicht machen kann: Putzen, Online Shopping, kleinere Arbeiten am Haus und im Garten. Dabei hetze ich mich ziemlich ab, denn das Kind könnte jeden Moment aufwachen.

15 – 17.30 Uhr
Sein Mittagsschlaf dauert zwischen einer halben und zwei Stunden. Also beende ich mein aktuelles Tun immer apbrupt, wenn mein Sohn aufwacht. Wir spielen, gehen raus, machen Besorgungen, etc. . Schlagen die Zeit tot. Der Nachmittag zieht sich wie Kaugummi, wenn wir keine schönen Unternehmungen planen.

Um 16 Uhr habe ich das Gefühl, der Tag hätte bereits 40 Stunden und ich zum millionsten Mal dieselben Bücher, die gleichen Spiele und Lieder durchlitten.

Ich zähle die Minuten, bis M. gegen 17.30 Uhr da ist und mit Elan, der mir mittlerweile abhanden gekommen ist, das Kind bespaßt. Wobei er zur Zeit eher noch Dinge im Haus zu erledigen hat oder wir in den Baumarkt fahren (kürzlich standen wir bis 20.30 Uhr auf dem OBI-Parkplatz, weil M. den Autoschlüssel nicht mehr finden konnte...).

17.30 – 19 Uhr: Abendessen
Unser Sohn hat schon wieder furchtbaren Hunger und Laune. Unter seinem Geheule kocht einer, während der andere versucht, das Kind bei Laune zu halten.
Dann essen wir alle zusammen. Ich möchte einfach nur sitzen und nicht reden, da mich meine eigene Stimme nach 12 Stunden Dauergesinge, Erklärungen, Ermahnungen, Spielen, etc. schon selbst annervt. Also bitte keine Kommunikation mehr.

20 Uhr
M. macht unseren Sohn bettfertig und legt ihn schlafen. Ich wasche ab und räume ernsthaft auf, jetzt lohnt es sich zumindest. Ich finde einzelne Schuhe und Socken in den unmöglichsten Ecken und frage mich, wann er das gemacht hat. Schließlich habe ich ihn nie aus den Augen gelassen. 

21 Uhr: Feierabend
Mein Rücken schmerzt, ich bin müde und will heute wirklich mal früher ins Bett gehen. Jetzt ist endlich Zeit für „mich“. Ich schreibe den Blogpost von heute Mittag fertig, bezahle Rechnungen, schreibe To-Do-Zettel und Einkaufslisten, telefoniere vielleicht mal mit einer Freundin oder einem Familienmitglied und mache sonst noch alles fertig, was liegen geblieben ist und morgen mit Kind zu zeitaufwändig und zu anstrengend ist.

Mitternacht
Ich gehe wirklich ins Bett. Schlafen lohnt nicht, da Sohnemann bald das erste Mal wach wird. Ich genieße die Stille und kann zum ersten Mal seit 18 Stunden meine eigenen Gedanken hören. Wenn ich nicht von Ohrwürmern der Tut Tut Baby Flitzern verfolgt werde.

Unbezahlt glücklich?
Oft wünsche ich mir einen dunklen, stillen Raum nur für mich. Ohne Gezerre an mir, ohne Geschrei. Das wirklich anstrengende am Alltag mit Kind ist die permanente Zuständigkeit. Natürlich ist ein Kind zu betreuen keine Raketenwissenschaft, aber Raketenwissenschaftlerinnen haben zumindest Pausen. Die haben wir nicht. Wir haben auch keine Privatssphäre oder eine comfort zone, in der wir uns erholen können. Sogar bis aufs Klo werden wir verfolgt. "Mal eben was erledigen" ist nicht mehr, unser Tag ist fremdbestimmt und wir hetzen uns durch die Minuten, die uns das Kind "mal eben" lässt. In jeder Minute am Tag müssen wir erziehen, spielen, loben, trösten, erklären und singen. Das manchmal im minütlichen Wechsel, abhängig von den Bedürfnissen des Kindes. Und einfach da sein. Immer.


Unbezahlt glücklich!
So anstrengend der Alltag auch ist, so bezaubernd sind die Momente, die ich mit meinem Kind verbringen darf. Jedes Lachen, jedes Spielen, jeder Liebesbeweis ist einfach zauberhaft und unbezahlbar. Das sind Momente aus purem Glück - und normalerweise kommt sowas...Rührseliges nicht aus meiner Feder. Ein Kind zu haben ist wie Verliebtsein. Nur besser. Denn es steigert sich sogar jeden Tag.

Auch wenn ich mich jetzt schon darauf freue, bald wieder arbeiten gehen zu können - allein der Arbeitsweg aus 30 Minuten Ruhe ist reine Erholung - so sehr werde ich meinen Sohn jede Sekunde vermissen.


5 Kommentare:

  1. Chutriel, ich hab's schon zwei mal geschrieben aber ich muss es nochmal schreiben, du verfasst die wunderbarsten Posts überhaupt. Ich muss immer grinsen, nicken, ich finde mich oft wieder in deinen Posts. So auch in diesem. Ganz ganz wunderbar. Ich wünschte manchmal ich würde im real life mal jemanden treffen der so ehrlich und herzerfrischend ist wie du :) bitte schreib noch lange weiter!!!

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    1. Danke :)!
      Beim nächsten Spielplatzbesuch einfach mal ein Witz auf Kosten des eigenen Kindes, der Mutterschaft oder des Hausfrauen-Daseins machen. Wer darüber lachen kann, den musst du zum Kaffee einladen. Und wer empört weggeht...naja, der geht halt weg :D.

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  2. Ich liebe deine Beiträge! Man muss einfach immer schmunzeln :D

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  3. Ich liebe sie auch!
    Und das mit dem Postboten ist bei uns genau gleich :D

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  4. Dankeeeeee, ihr seid lieb <3!

    Kalimo, mh, dann ist es zumindest kein nationales Problem :D.

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