Donnerstag, 13. April 2017

Mythbusters #6 Rund ums zweite Kind

Die guten Ratschläge und nervigen Sprüche hören auch beim zweiten Kind nicht auf. Nach 15 Monaten mit zwei Kindern stelle ich sie auf den Prüfstand. Stimmt es, was man so sagt?

Das zweite Kind läuft mit

Ha! Hahahahaha. Keine Ahnung, wer auf die Idee kommt, dass das zweite Kind weniger Aufwand wäre. Gut, Fakt ist, die Familienstrukturen sind schon vorhanden. DIE laufen vielleicht mit und erleichtern einem tatsächlich den Alltag. Man muss sich nicht mehr einfinden, das zweite Kind muss sich einfügen. ABER: zwei Kinder sind nun mal rein logistisch betrachtet doppelte Arbeit. Je kleiner das "große" Kind, umso deutlicher fällt die noch ins Gewicht.



Du wirst keinem Kind gerecht werden können

"Gerecht werden" ist zuallererst einmal eine Definitionsfrage. Ja, man hat weniger Zeit für das erstgeborene Kind, es muss öfter warten und sich gedulden, wenn das Baby Aufmerksamkeit braucht. Gerade wenn man an die erste Zeit mit Baby zurückdenkt - die ewigen Schaukeleien, Stillereien, Schreiphasen - kann es einem schon davor grauen, "nebenbei" noch ein weiteres Kind betreuen zu müssen.
Und ja, man hat weniger Zeit für das zweite. Mein zweiter Sohn wurde im Tragetuch "geparkt", Clusterfeeding an der Brust war einfach nicht drin und das intensive Spielen (aka Fördern) fiel eher flach, weil der große Bruder die Aufmerksamkeit einforderte.

Trotzdem empfinde ich die Zeit, die ich mit jedem Kind verbringe, als qualitativ hochwertiger und nutze sie intensiver. Es macht einem selbst halt mehr Spaß, wenn man zwischen Babytüdelei und (Klein-)Kindspielen abwechseln kann. Die Plantscherei vom Kleinen ist im Gegensatz zum Theater vom Großen beim Haarewaschen super lustig und das Vorlesen macht beim Großen auch nach dem zweiten Buch mehr Freude, wenn man vorher vom Kleinen ständig das Buch zugeklappt und ins Gesicht geworfen bekommen hat.

Mehr Zeit bedeutet daher auch nicht automatisch mehr Quality Time.


Vor allem, wenn es um Blödsinn geht, ziehen beide an einem Strang

Das Schreien stresst beim zweiten Kind nicht mehr so sehr

Angeblich soll man das zweite Kind besser schreien lassen können. Man fühlt sich weniger gestresst und springt nicht mehr bei jedem Mucks. 

Überraschung: Stimmt nicht. 

Man springt nicht mehr sofort, weil man es schlicht nicht kann. Weil man gerade das Geschwisterkind wickelt oder es vom Kindergarten abholen muss - unabhängig davon, ob sich das Baby in dem Moment in der Trage/Kinderwagen/im Auto einschreit.
Es zerrt nicht genauso an den Nerven wie beim ersten Kind sondern, wie ich finde, sogar mehr. Dazu kommt nämlich noch das schlechte Gewissen, wenn beim Baby die Tränchen kullern oder sich das Kleinkind weh getan hat, man aber nicht sofort rennen kann, weil man das "große" Kind nicht einfach mal eben so wegschieben kann.

Versuch macht klug - beim zweiten läuft alles besser

Jein. Tatsächlich sind die vorher gesammelte Erfahrungen wirklich Gold wert und man ist in vielen Situationen (der erste Schnupfen, Brei füttern, Krabbelgruppen, Ausflüge, ...) weniger unsicher. Aber das gleicht sich meiner Meinung nach dadurch aus, dass man auch alle negativen Erfahrungen von Kind Nr. 1 mitgenommen hat. Die Erschöpfung, die Sorgen, die (Alltags-)Belastung, mit denen man beim ersten Kind mit Glück vielleicht bei 0 ins Abenteuer Familie gestartet ist, haben auf dem Weg zum zweiten Kind das Konto ins Minus rutschen lassen. Man (also ich) ist wesentlich müder, dadurch auch gereizter und teilweise dünnhäutiger. Die Entspanntheit bei vielen Elternthemen werden also durch den allgemein höheren Stress nach zwei Schwangerschaften, Geburten und Kinder in allen Phasen und Facetten negiert.

Außerdem ist das zweite Kind nun mal eine ganz andere Persönlichkeit, auf die man sich neu einstellen muss, manche Erfahrungswerte sind dadurch völlig überholt.

Wir nennen sie "Chaos und Zerstörung" oder wahlweise "Rebellion und Anarchie"

Mein Großer hasst Wasser, isst wie ein Spatz und hat ab sechs Monaten den Schnuller verweigert, der Kleine liebt Plantschen, futtert wie ein Scheunendrescher und nuckelt am liebsten an drei Schnullern gleichzeitig (ohne Witz, schon gesehen).

Die Zweitgeborenen lernen schneller

Stimmt auch nicht. Kinder sind halt unterschiedlich. Was der eine schnell gelernt hat, braucht bei dem anderen länger. Die Talente und Vorlieben sind genauso unterschiedlich verteilt wie "Gaben und Handicaps". Die Zweitgeborenen gucken sich aber sehr viel von ihren großen Geschwistern ab, das stimmt. Nur muss das nicht unbedingt was Gutes sein ;).

Mein jüngerer Sohn ist durch seinen Bruder schon viel sozialer, er teilt und spielt mit anderen Kindern in einem Alter, in dem sein großer Bruder andere Kinder noch nicht mal wahrgenommen hat. Dafür ist er aber auch viel asozialer, er haut, wehrt sich und drückt seine Meinung durch. Ebenfalls in einem Alter, in dem sein großer Bruder noch nicht mal wusste, was Streit und Konflikte überhaupt sind.

Die Liebe vermehrt sich

Dieser Mythos bezieht sich auf die Sorge, ob man sein zweites Kind genauso lieben kann wie das erste. Ja, das geht, die Liebe vermehrt sich aber nicht. Es ist ja nicht so, als würde ich mit dem zweiten Kind plötzlich zu Mutter Theresa und mit jedem weiteren Kind würde sich meine Fähigkeit, zu lieben vergrößern.
Ich liebe jedes Kind auf eine eigene Weise, jedes Kind nervt mich auch auf seine spezielle Weise. Mit manchen Eigenschaften komme ich wunderbar klar, mit anderen überhaupt nicht. Das gilt für Kind 1 genauso wie für Kind 2.
Ich bin aber müder, älter, vielleicht entspannter (in gewissen Erziehungsfragen, nicht generell) und kann Phasen besser durchstehen. Weil ich WEIß, dass sie wirklich vorbeigehen.

Es fühlt sich aber vielleicht so an, als würde sich die Liebe vermehren (was vermutlich bei Gefühlen das wirklich relevante ist...). Ich weiß die Eigenarten der Kinder viel besser zu schätzen. Gerade, weil sie so unterschiedlich sind. Sei es vom Charakter oder vom Entwicklungsstand her. Ist der eine gerade in einer extrem anstrengenden Phase, fängt der andere das mit seiner Unkompliziertheit ab - nur damit sich nur Stunden später das Blatt komplett wendet.

Was aber dazu kommt, ist die Geschwisterliebe. Und die sorgt tatsächlich für so viele Da-geht-einem-das-Herz-auf-Momente gegen die einzelne Niedlichkeit einpacken kann. Schließlich ist ein Familienmitglied mehr da, das auch mehr Liebe gibt und verteilt.

Es wird ständig gekuschelt und geknuddelt <3

Auf alle Fälle sorgt ein zweites Kind dafür, dass einem nicht mehr langweilig wird. Auch wenn einem das vorher schon nicht war :-D. 

Wie ist das bei euch? Mussten ihr euch solche Sprüche auch anhören? Haben sich bei euch die Unkenrufe oder Vorstellungen bewahrheitet?

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