Sonntag, 16. August 2015

Linktipp "Exposing the Silence"

In der aktuellen Brigitte Mom wird das Projekt "Exposing the Silence" von  Lindsay Askins und Cristen Pascucci vorgestellt, das sich mit Geburtstraumata beschäftigt.

Die beiden Amerikanerinnen schnappten sich ihre insgesamt drei Kinder und fuhren mit dem Auto zwei Monate quer durch das ganze Land, um Frauen in 20 Städten zu dem Thema zu interviewen und ihre Erfahrungen zu dokumentieren. Dabei fragten sie:
exposingthesilenceproject.com

- "What was traumatic about your baby's birth?"
- "What happened if you tried to tell people about it?"
- "How are you taking your power back?"
Herauskamen bewegende und schockierende Statements, womit sie deutlich machen wollten, dass traumatische Erlebnisse bei und rund um die Geburt keine Seltenheit sind.


Brittany aus Wheeling, West Virginia

"Als Krankenschwester vertraute ich meiner Ärztin und ihrer Meinung darüber, was zu tun ist. Innerhalb einer Stunde nach meiner Ankunft im Krankenhaus machte sie durch ihr unnötiges Einschreiten aus meinen harmlosen Wehen ein chaotisches Desaster. Später gab sie damit an, dass sie zwar meine Geburt ruiniert, aber wenigstens einen hübschen Schnitt gemacht habe."

Andrea aus Richmond, Virginia

"Eine Geburt macht dich verletzlich. Wenn du in der Vergangenheit Erfahrungen mit Missbrauch gemacht hast, kann diese Verletzlichkeit schnell zu Panik werden. Als eine Überlebende von sexueller Gewalt war mir das Risiko bewusst, dass während der Geburt diese Erlebnisse wieder hochkommen können. Ich habe versucht, dem vorzubeugen und meine Bedürfnisse klar zu äußern, doch ich wurde größtenteils ignoriert. Als ich bereit war, zu pressen, wurde ich gezwungen, auf dem Rücken zu liegen - mit den Beinen in Richtung Tür. Nachdem ich mehr als eine halbe Stunde lang den starken Drang zu pressen unterdrückt hatte, stolzierte der Arzt in den Raum, sein Sportsakko lässig über der Schulter gelegt. Als er auf mich zukam, fragte er mich mit seinem Zigarettenatem: 'So, bist du bereit, ein Kind zu bekommen?' - in einem Tonfall, der wie eine Anmache klang. Nachdem mein Sohn geboren war, nahmen sie ihn mir unnötigerweise weg und ließen mich allein, völlig entblößt auf meinem Rücken, mit dem Arzt zwischen meinen Beinen, der mich zunähte. Plötzlich waren die Erinnerungen an den sexuellen Missbrauch wieder da. Das war der Anfang einer Abwärtsspirale in eine schwere Depression, die meiner Meinung nach hätte verhindert werden können."
Christel aus New Jersey
"Es war so erbärmlich. Ich war eine totale Außenseiterin. Der Tag, der der schönste in deinem Leben sein soll, ist für diese Menschen bloß ein Arbeitstag wie jeder andere. Ich war überrascht, wie banal und routiniert alles war, und wie wenig die Ärzte auf die Meinung der Hebammen hören - wie bei McDonald's. Immer alles gleich machen, obwohl doch jede Frau anders ist und andere Erfahrungen macht. Sie haben mich für alles Mögliche angeschrien. Sie haben mir nie gesagt, was ich besser nicht tun sollte - und mich dann angebrüllt: 'Schau, was du getan hast! Du hast es verbockt.' (Auszüge von der Brigitte Mom HP) 
Askins und Pascucci meinen sogar, dass rund ein Drittel der amerikanischen Mütter von solchen Erlebnissen berichten können. Auch in Deutschland wird dank Bewegungen wie Roses Revolution, über die Solina in ihrem Blogpost Jede Frau ist eine Rose ebenfalls schon erzählt hat, zum Glück vermehrt das Schweigen gebrochen.

Erklärung der WHO

Diesen Monat erst gab es ein offizielles Statement der World Health Organization, womit sich nun auch an höchster Stelle an dieser Debatte beteiligt wird:
Viele Frauen erleben in geburtshilflichen Einrichtungen auf der ganzen Welt einen geringschätzigen und missbräuchlichen Umgang. Dieser Umgang verstößt nicht nur gegen das Recht der Frauen auf eine respektvolle Versorgung, sondern kann darüber hinaus deren Recht auf Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit und das Recht auf ein Leben ohne Diskriminierung verletzen. Diese Erklärung ruft zu einem vermehrten Engagement, mehr Dialog, Forschung und Fürsprache im Hinblick auf dieses gravierende Problem der öffentlichen Gesundheit und der Menschenrechte auf. (hier die gesamte Erklärung der WHO auf deutsch

Persönliche Erfahrung

Mich beschäftigt das Thema nach wie vor. Nach dem traumatischen Geburtserlebnis vor zwei Jahren mit der Frühgeburt von meinem Sohn, einem Kaiserschnitt und den Komplikationen danach, bin ich erneut schwanger und erwarte im Januar - hoffentlich auch wirklich erst dann und nicht wieder etliche Wochen zu früh - unser zweites Kind. Natürlich kommen die Erlebnisse aus der ersten Schwangerschaft wieder hoch, obwohl ich mich in den letzten Jahren intensiv damit auseinandergesetzt habe - was ihr teilweise auch auf dem Blog hier und meinem eigenen nachlesen konntet - und sie als "aufgearbeitet" bezeichnen würde. 

Trotzdem bin ich froh, kürzlich eine Hebamme gefunden zu haben, die mich und unsere Geschichte einfühlsam aufgenommen hat und unsere außerklinische Geburt im Geburtshaus betreuen wird. Es bleibt auch weiterhin wichtig, über alle Ängste und Sorgen zu sprechen, darauf zu bestehen, ernst genommen zu werden und notfalls auch anzuklagen, wenn dies nicht passiert.

Natürlich bin ich froh, dass das medizinische Personal damals in der Klinik alles getan hat, um unser Kind sicher und gesund auf die Welt zu holen, aber trotzdem würde ich mich nicht ein zweites Mal so unmenschlich abfertigen lassen und werde mich tatsächlich nur im Notfall in den medizinischen Apparat mit seinem festen Ablauf begeben. 

Man sollte nie müde werden, auf das Recht auf Unversehrtheit zu pochen und auf den Missbrauch aufmerksam zu machen! Deshalb auch ein Danke an dieser Stelle an alle, die sich am Projekt "Exposing the Silence" beteiligt haben!

Wir haben es nämlich verdient, von unseren Geburtsbegleitern würdevoll betreut und unterstützt zu werden, um unsere Kinder selbstbestimmt auf die Welt zu bringen!

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