Freitag, 12. Juni 2015

Deutschland nimm dir ein Beispiel!

Mit ihrem letzten Beitrag hat Schokominza euch und der Familienministerin Frau Schwesig in 10 einfachen Punkten gezeigt, wie Deutschland den Kinderwunsch attraktiver gestalten kann.

Wie ihr alle sicher mitbekommen habt, bildet Deutschland das Schlusslicht einer erschreckenden Statistik. Und obwohl diese Statistik gar nicht so aktuell ist, 2013 wurden schon ähnliche Zahlen festgestellt (Klick), bleibt Deutschland hinter all seinen Nachbarländern zurück.

Aber was genau macht unsere Nachbarländer so attraktiv? Warum siedeln sogar einige Paare aus um eine Familie zu gründen.

Ich habe mich mit dem Thema befasst und möchte euch heute vorstellen wohin sich das auswandern mit Kinderwunsch lohnt.


Italien

Nur knapp haben wir die Italiener "geschlagen". Aber immerhin bekommen sie 1,1 Kinder mehr pro 1000 Einwohner. Woran liegt's? Mit Sicherheit am guten Wetter, dem guten Essen, der romantischen Atmosphäre! Ich sag nur: Amore!
 
An den Sozialleistungen kann es jedenfalls nicht liegen! Die halten sich nämlich absolut in Grenzen. Versteht sich, denn Italien ist pleite. Je mehr man in Italien verdient, desto weniger Kindergeld bekommt man. Für zwei Kinder bekommt man somit maximal 250€ im Monat. Ab einem Jährlichen Gehalt von über 28.000 € sind es nurnoch 39,00 €, ab 43.000 € geht man leer aus. Besserverdiener gucken also schnell mal in die Röhre. Mutterschaftsurlaub gibt es nur 5 Monate, hier werden 80% Lohnersatzleistung gezahlt-

Die Kinderbetreuung ist auch nicht das Gelbe vom Ei. Die Krippenplätze sind äußerst beschränkt. Nur 1 von 8 Kindern unter 3 Jahren kann überhaupt betreut werden. Tagesmütter gibt es kaum. Der durchschnittliche Kindergartenplatz kostet etwa 297 €.

Warum die Italiener trotzdem mehr Kinder kriegen als wir? Amore, ich sag's ja!


Frankreich
 
12,7 Geburten auf 1000 Einwohner jährlich. Das ist doch mal was. Kindergeld wird erst ab dem zweiten Kind gezahlt. Es beträgt ca. 120 €. Das Kindergeld steigt mit Anzahl und Alter der Kinder an.
 
Elterngeld wird in Frankreich abhängig von der Dauer und der Anzahl der Kinder gezahlt, ein Elternteil seine Berufstätigkeit vorübergehend einstellt oder nur Teilzeit arbeitet. Der Betrag orientiert sich jedoch nicht am vorher erzielten Einkommen.
 
Des Weiteren gibt es Steuervergünstigungen und Zuschüsse für Lernmittel. Alleinerziehende werden ebenfalls unterstützt. Auch Familien mit 2 oder mehr Kindern werden durch Zulagen weiterhin begünstigt.
 
Für Kinder unter 3 Jahren besteht kein Rechtsanspruch auf Betreuung. Es ist aber z. B. möglich, die Kosten einer, direkt in der Familie angestellten, Tagesmutter steuerlich über ein Gutscheinsystem abzurechnen.
 
Für alle Kinder über 3 Jahren beginnt der Ernst des Lebens mit der Vorschule. Die Betreuung in der école maternelle ist kostenlos und zumindest an staatlichen Vorschulen besteht Anspruch auf einen Betreuungsplatz.
 
Alternative Betreuungsmöglichkeiten werden in Frankreich kaum politisch gefördert und sind daher in der absoluten Minderheit. Durch die lange Tradition der Vorschulen scheint man sich aber damit abgefunden zu haben, bewerkstelligt irgendwie die ersten 3 Jahre und dann steigt auch Mutti wieder voll ins Berufsleben ein...oder bekommt das nächste Kind.
 
 
Großbritannien
 
Ebenfalls 12,7 Kinder kommen hier pro Jahr pro 1000 Einwohner zur Welt. Herzogin Kate darf ihren Soll somit als erfüllt ansehen. Kindergeld gibt es hier nur bis 16 Jahren. Innerhalb einer Ausbildung oder eines Studiums wird das Kindergeld maximal bis 19 Jahren weitergezahlt. Der Betrag ist dabei schon fast lachhaft mit nur 105 € für das erste und 70 € für jedes weitere Kind.
 
Elterngeld gibt es im Anschluss an die Mutterschutzfrist für 26 Wochen. In den ersten 6 Wochen werden 90% Lohnersatzleistung gezahlt, danach ca. 146 € / Woche. Weitere 26 Wochen Elternzeit können unbezahlt genommen werden. Für alle Kinder unter 6 Jahren können Eltern außerdem flexible Arbeitsbedingungen beantragen. Somit können nicht nur die Arbeitsstunden und deren zeitliche Lage familienfreundlich angepasst werden, sondern auch Heimarbeit kann beantragt werden.
 
Für Geringverdiener gibt es Steueranpassungen, anfallende Kinderbetreuungskosten werden bei einer Mindestarbeitszeit von 16 Stunden / Woche subventioniert.
 
Ab dem 4. Lebensjahr besteht ein Rechtsanspruch auf eine kostenlose Betreuung von  bis zu 15 Stunden pro Woche in einer staatlichen Kita.
 
In Großbritannien wird die Kinderfreundlichkeit also nicht allein durch die Betreuung, sondern durch die Flexibilität der Arbeitgeber geschaffen, die bewusst mit in die Verantwortung genommen werden.
 
 
Schweden
 
In Schweden kamen 2003 11,8 Kinder pro 1000 Einwohner zur Welt. Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird in Schweden ganz groß geschrieben. So haben 1-jährige Kinder bereits einen Rechtsanspruch auf Betreuung, sofern denn beide Eltern arbeiten gehen oder studieren.
 
Das schwedische Kindergeld unterstützt dabei besonders Familien mit vielen Kindern. Eine Familie mit einem Kind bekommt somit 120 € monatlich, während eine Familie mit  Kindern ca. 629 € monatlich bekommt. Für jedes weitere Kind werden nochmal zusätzlich 218 € im Monat gezahlt.
 
Elternzeit kann für insgesamt 16 Monate genommen werden. Dabei stehen jeweils 60 Tage jedem Elternteil allein zur Verfügung. Der Rest kann frei eingeteilt werden. Die Lohnersatzleistung beträgt in den ersten 390 Tagen 80% vom Lohn und wird in der restlichen Zeit pauschal bezahlt. Bis zum achten Lebensjahr des Kindes besteht in Schweden ein Anspruch auf Teilzeiterwerbstätigkeit.
 
Ein Kita-Platz kostet ca. 137 € im Monat. Außerdem stehen etliche Betreuungsmodelle mit unterschiedlichen Betreuungszeiten zur Verfügung. So war es 2011 möglich, dass etwa 77% aller Kinder zwischen 1 und 3 Jahren in den Kindergarten gehen konnten.
 
Auch der Betreuungsschlüssel ist Schweden ein Traum: hier kommen auf 15 Kinder unter 3 Jahren meist 3 Erzieherinnen. Das Personal in diesen öffentlichen Einrichtungen verfügt über eine dreijährige Hochschulausbildung. Die Ausbildung von Tagesmüttern ist in Schweden wiederum nicht gesetzlich geregelt. Die Zahlung der staatlichen Betreuungsbehilfe wird daher kaum angenommen.
 
Klingt das nicht alles zu paradiesisch um wahr zusein?
 
 
Niederlande
 
Auch die Niederlande sind eine super alternative zu Deutschland, was die Familienfreundlichkeit betrifft. Daraus resultieren immerhin 10,2 Kinder pro 1000 Einwohner jährlich.
 
Das Kindergeld erscheint auf den ersten Blick sehr mager. Eine Einteilung gibt es hier nur nach Alter. Kinder unter 6 erhalten knappe 58 €. Kinder ab 12 Jahren immerhin schon fast 82 €. Während einer Ausbildung oder für behinderte Kinder ist eine Dopplung der Beträge möglich.
 
Auch das Finanzamt beteiligt sich mit einem "kindgebundenen Budget" an der finanziellen Unterstützung von Familien. Wer im Jahr 2013 unter 26.147 € verdient hat, hat einen jährlichen Zuschuss von 1.016 € erhalten. Bei 3 Kindern betrug der Zuschuss 1.736 €. Stellt man diesen Zuschuss der gezahlten Lohnsteuer gegenüber, hatte man im Jahre 2013 in etwa Brutto = Netto. Alleinerziehende erhalten zudem noch erhöhte Steuerfreibeträge.
 
Die Kinderbetreuung liegt in den Niederlanden aussschließlich in privater Hand. Lediglich die pädagogische Qualität und Sicherheitsstandards werden vom Staat vorgegeben. Je nach Einrichtung kann so ein privater Kita-Platz gut und gerne 50€ am Tag kosten. Der Vorteiol hiervon sind auch wieder die veilfältigen Betreuungsangebote. Auch 24-Std-Kitas sind keine Seltenheit.
 
Je nach Einkommen können die Niederländer für die Betreuungskosten wiederum Zuschüsse beantragen, jedoch nur für Zeiträume in denen beide Eltern arbeiten. Die niederländischen Arbeitgeber sind wiederum aufgerufen 1/6 der Betreuungskosten zu übernehmen.
 
Schulpflicht besteht in Holland ab 5 Jahren, die meisten Kinder besuchen die basisschool jedoch schon mit 4. Hier wird auch ein Hort bis 18 Uhr, teilweise auch 19 Uhr angeboten. Spätestens hier können also beide Eltern wieder einer vollen Berufstätigkeit nachgehen.
 

Irland

Unsere irischen Freunde führen mit 15,7 Geburten pro 1000 Einwohner die Statistik im europäischen Vergleich an. Bis gerade einmal 16 Jahren wird hier 130€ € Kindergeld pro Kind gezahlt. Mehrlingsgeburten werden besonders "vergütet".

Mutterschutz wird in Irland für maximal 26 Wochen gezahlt. Die Lohnfortzahlung beträgt dabei etwa 80% jedoch höchstens 265,60€ pro Woche. Weitere 16 Wochen können unbezahlt genommen werden. Eine bezahlte Variante der Elternzeit für den Vater gibt es nicht.

Die Kinderbetreuung in Irland ist die teuerste im europaweiten Vergleich. Ein irländisches Paar muss ca. 45% ihres Nettoeinkommens für die Kinderbetreuung aufbringen. In vielen Familien müssen sogar die Großeltern noch zubuttern. Die Struktur der Betreuung gleicht der in Großbritannien. Auch in Irland gehen somit viele der Kinder bereits mit 4 Jahren zur Schule.

Trotz intensiver Recherche konnte ich keine weitere staatliche Unterstützung für Eltern in Irland finden.

Aber warum machen die Iren dann so viele Kinder, wenn sie sie kaum bezahlen können? Doch nicht etwa einfach der Kinder wegen??? 


Während ich nun meine Taschen packe und noch überlege ob ich lieber nach Schweden oder in die Niederlande ziehe, stellt sich mir die abschließende Frage, was Deutschland falsch macht.

Unser Kindergeld stellt fast alle anderen Länder in den Schatten. Das Elterngeld ist flexibler als in den meisten Ländern, wenn auch prozentual nicht so hoch wie beispielsweise in Schweden. Kinderfreibeträge sind uns auch nichts neues und einen rechtlichen Anspruch auf einen Betreuungsplatz gibts sogar ab 1 Jahr. Haben wir da vielleicht den Knackpunkt gefunden? Denn nur weil es heißt, man habe einen Anspruch, bedeutet das noch lange nicht, dass dieser versprochene Betreuungsplatz auch tatsächlich existiert. Von der Qualität dieses Platzes ganz zu schweigen.

Doch nur an der Betreuung kann es doch nicht hängen, oder? Sind es vielleicht doch die Nachbarn, die den "Lärm" nicht ertragen (Klick) und die daraus resultierenden engstirnigen Vermieter, die um jeden Preis die Ruhe im Haus wahren wollen? Oder die mangelnde Akzeptanz der Arbeitgeber gegenüber Frauen im geburtsfähigem Alter aus Angst vor Arbeitsausfällen? Oder die Angst davor, sich die Figur zu versauen und nie wieder dem gängigen "Schönheitsideal" zu entsprechen? Oder liegt es an den Horrorgeschichten über schlechte Geburten in Kliniken ohne Hebammenbetreuung?

 
Umdenken ist angesagt! In jedem dieser Bereiche sowie in noch vielen weiteren, die hier den Rahmen sprengen würden. Denn es ist der Trend zur Kinderlosigkeit, der Deutschland in nicht allzuferner Zukunft wirtschaftlich das Genick brechen wird. 

3 Kommentare:

  1. Super interessanter Beitrag, wie alles von euch :)
    Ich selbst habe noch keine Kinder, daher fehlt mir natürlich das Insider Wissen.
    Dafür war ich aber vor zwei Wochen in Stockholm und habe mit eigenen Augen gesehen wie kinderfreundlich die Schweden sind. Überall gibt es extras und niemand wird doof mit einem schreinendem Kind unterm Arm angeschaut.

    Außerdem glaube ich, dass wir alle zu perfektionistisch geworden sind. Jeder will auf den perfekten Zeitpunkt warten mit einem Kind. Ausbildung abschließen, reisen will ich auch noch, und außerdem muss vorher noch ein neues Auto her usw.
    Mir geht es ja selbst auch so. Und wenn man dann zu denen gehört die studiert haben und erst mit Ende 20 anfangen zu basteln, kann auch mal ganz schnell der Zug abgefahren sein.

    Auf jeden Fall ein spannendes Thema!
    Stella

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    1. Danke für deinen Kommentar! Man hört viel, dass Schweden generell sehr kinderfreundlich ist. Da finde ich es besonders interessant, diese Aussagen auch mal von einer kinderlosen bestätigt zu bekommen.

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  2. Hmm, dann liege ich mit meinen 2 Zwergen schon über dem Durchschnitt? :D
    Ich weiß auch nicht, warum die Deutschen so "kinderscheu" sind. Natürlich schränkt ein Kind das Leben ein, so wie man es kennt, aber es bereichert das Leben um so viel, dass es für mich kein Argument ist.
    Das Betreuungsproblem ist da schon eher ein Knackpunkt. Wenn ich in Teilzeit wieder arbeiten gehen möchte und dann für einen KiTa-Platz schon fast 400€ zahlen soll, ist die Frage ob das finanziell überhaupt möglich ist. Oder ich habe einen KiTa-Platz, der nur 120€ kostet, aber wo die KiTa nur von 8-14 Uhr geöffnet hat. Wenn ich da nicht einen Arbeitsplatz in Wohnortnähe habe, komme ich mit der Zeit wieder nicht hin.
    Egal was der ausschlaggebende Punkt für die Kinderlosigkeit ist, Fakt ist, Deutschland muss wieder mehr Kinder bekommen. Und wenn alle auswandern, um woanders ihre Kinder groß zu ziehen, ist Deutschland ja trotzdem nicht geholfen :D
    Aber ist schon interessant, wie es in anderen Ländern funktioniert :) Danke für deine Mühe

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