Samstag, 13. September 2014

Familiärer Brust- und/oder Eierstockkrebs und die eigene Wahrscheinlichkeit, daran zu erkranken

Als ich 14 war, erkrankte meine Mutter an einer schnellwachsenden Tumorart in der Brust. Bis ihr Arzt den Knoten in der Brust ein halbes Jahr später ernst nahm, war es schon zu spät und der Krebs hatte trotz baldiger Brustamputation gestreut. Zu dem Zeitpunkt gaben ihr die Ärzte kein Jahr mehr.
Trotzdem gab sie die Hoffnung nicht auf und fuhr durch ganz Deutschland, um sich an verschiedenen Krebszentren mit Chemotherapien und Bestrahlungen behandeln zu lassen. Die folgenden fast vier Jahre waren geprägt von ihrem Kampf und der Hoffnungslosigkeit, weil immer wieder neue Metastasen auftraten. Mit 41 Jahren starb sie schließlich an inneren Blutungen.

Meine Mutter mit 19 Jahren
Während sich die meisten Jugendlichen in dem Alter mit pubertären Problemen rumschlugen (ohne Zweifel auch weltbewegend), war mein Teenagerleben geprägt von Sorge und permanenter Angst. Vor allem in ihrem letzten Jahr zuckte ich bei jedem Handyklingeln und Sirenengeheul zusammen. Aus Angst, es könnte die furchtbare Nachricht ihres Todes sein. Meine Freunde planten ihre Zukunft, wünschten sich ein Studium, Familie, wollten die Welt sehen. Ich wollte mich eigentlich nur dazu legen und mitsterben.
Eigene Kinder wollte ich schon gar nicht, da mich die diffuse Angst um ein ähnliches Schicksal umtrieb. Wie sollte ich jemals ruhigen Gewissens Kinder in die Welt setzen, wenn ich ihnen gleiches antun und sie viel zu früh verlassen könnte?

Und warum erzähle ich das?

Weil ich mittlerweile doch ein Kind in die Welt gesetzt habe. Aus der diffusen Angst ist im letzten Jahrzehnt ein offensiver Umgang mit meiner statistischen Krebswahrscheinlichkeit geworden und das Vorhaben gewachsen, zumindest alles in meiner Macht stehende getan zu haben, mein Kind nicht als Halbwaise zurück zu lassen.

In einem Jahr wechselte ich sogar dreimal den Gynäkologen, weil mir die Krebsvorsorge zu lasch abgewickelt wurde. Ich gehe alle sechs Monate zur Krebsvorsorge, zahle jeden Abstrich, jeden Ultraschall selbst, da ich zumindest für ein halbes Jahr die Gedanken an Krebs abstellen möchte. Einen gutartigen Knoten habe ich bereits entfernen lassen, finde ich Knubbel (denn ich taste regelmäßig selbst meine Brüste ab), renne ich auch wöchentlich zum Radiologen, um das Wachstum kontrollieren zu lassen. Es hat aber zehn Jahre gedauert, bis ich Anfang diesen Jahres eine Frauenärztin fand, die mir endlich die Überweisung in eine Klinik gab, die einen Gentest (mehr Infos s.u.) durchführt und eine wesentlich umfangreichere Krebsvorsorge bei Risikopatientinnen durchführt. In Deutschland gibt es mittlerweile fünfzehn solcher Anlaufstellen (hier eine Übersichtskarte). Aus eigener Tasche kann man diesen Test nämlich kaum bezahlen und ohne Angliederung an eine solche Klinik muss ich auch weiterhin jedes Jahr einige hundert Euro für Krebsvorsorgeuntersuchungen bezahlen, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden. 

Warum poste ich das auf unserem Blog, was hat das mit Kindern zu tun?

und mit Mitte 30, kurz vor ihrer Erkrankung
Alles, meiner Meinung nach. Als Mutter ist es mir umso wichtiger, endlich Gewissheit über meine genetische Vorbelastung zu haben. Zwar habe ich einen Sohn, aber trotzdem vererbe ich eine mögliche Mutation, die die Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu erkranken, drastisch erhöht (für weitere Informationen könnt ihr euch hier schlau lesen). Von einer eigenen Erkrankung und den damit einhergehenden Behandlungen einmal abgesehen, die unser Familienleben enorm belasten würden.

Denn auch ohne genetische Mutation ist meine Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu erkranken, höher als durchschnittlich. Wie hoch, wird gerade an der Kölner Uniklinik für mich ermittelt. 
Der Beratungstermin


Nach der ausgestellten Überweisung bekam ich erst ein halbes Jahr später den Beratungstermin an der Kölner Uniklinik. In der Zwischenzeit erreichte mich ein dicker Brief mit Informationsmaterial, Fragebögen zu familiären Krebserkrankungen, Einverständniserklärungen und der Aufforderung, alle ärztlichen Unterlagen der erkrankten Familienmitglieder mitzubringen.

Also forderte ich die Unterlagen bei meinem Vater an und ackerte den dicken Ordner voller Arztbriefe über die Krebserkrankung meiner Mutter und Befunde durch. Dabei erfuhr ich alle unschönen Details ihrer Erkrankung und ihres Todes. Unsicher, was davon wichtig war, nahm ich einfach alles mit.

Beim Beratungstermin kam schnell die Ernüchterung. Ich erfülle nicht die Aufnahmekriterien, da meine Mutter knapp um ihren 37. Geburtstag herum den Knoten entdeckte. Damit ich zu einer Risikogruppe gehöre, hätte sie aber 36 gewesen sein müssen. Oder beidseitig erkranken. Oder es hätte mehr Krankheitsfälle in meiner Familie geben müssen.

Sollte ich oder eine meiner Schwestern an Krebs erkranken, könnten wir sofort wieder kommen. Die Akte haben sie für uns schon mal angelegt.

Darauf habe ich also so lange gewartet. Ich war so hoffnungsvoll, endlich meine Krebsvorsorge in Expertenhände geben zu können und alle sechs Monate Ultraschall-Untersuchungen der Brust mit speziell darauf ausgerichteten Geräten zu erhalten. Natürlich müssen irgendwo Grenzen gezogen werden und statistisch ermittelte Werte haben ihren Sinn, trotzdem konnte ich mich wegen ein paar Wochen doch nicht so abspeisen lassen. Vielleicht war der Krebs schon vor ihrem 37. Geburtstag da? Vielleicht auch erst kurz danach? Fragen, wann sie den Knoten zum ersten Mal gemerkt hat, kann ich sie ja nicht mehr. Soll ich also weitere zehn Jahre warten, bis ich oder eine meine Schwestern erkranken? Nein.

Also fragte ich die Verwandtschaft aus und konnte eine Urgroßmutter mütterlichseits finden, die an Unterleibskrebs gestorben ist. Auf erneute Nachfrage reichte dies dann nun doch, um mich ins Programm aufzunehmen. Mein Stammbaum mit allen Erkrankungen wurde aufgezeichnet und daraus wird bis zum nächsten Termin Anfang November mein persönliches Risiko berechnet.

Was bedeutet das für meine Familie?

Übersteigt dieses Risiko einen bestimmten Wert, werde ich zum Gentest zugelassen. Im schlimmsten Fall wird der Gen-Test positiv ausfallen. Dann müssen die Konsequenzen, bzw. mögliche Maßnahmen besprochen werden. Wie die aussehen könnten, weiß man spätestens seit Angelina Jolies Brustamputation und -wiederherstellung. Käme das für mich in Frage? Auf jeden Fall. So lange ich aber noch nicht im vollen Umfang aufgeklärt bin und das Ergebnis habe, mache ich mir darüber aber auch nicht mehr Gedanken als nötig.
Im besseren Fall liegt mein persönliches Risiko "nur" über dem durchschnittlichen. Dann wird meine Krebsvorsorge darauf angepasst werden.

In jedem Fall empfahl mir die Ärztin, mir mit dem Abschluss meiner Familienplanung nicht allzu viel Zeit zu lassen. 5 Jahre vor dem Erkrankungsalter meiner Mutter steigt statistisch gesehen mein Risiko, an Krebs zu erkranken, signifikant an. Das heißt also, dass ich mich spätestens ab 32 sowieso um eine engmaschigere Kontrolle bemühen muss.

Ende des Jahres weiß ich also mehr. Das Ergebnis der Beratung wird unsere Zukunftsplanung bezüglich Kind Nr. 2 mit Sicherheit beeinflussen.

Quelle: http://www.brustkrebsdeutschland.de
Aber auch ohne familiäre Belastung ist die regelmäßige Krebsvorsorge wichtig! Außerdem kann man selbst aktiv werden, in dem man auch regelmäßig die Brust abtastet. Damit lassen sich Knoten frühzeitig erkennen.
Hier geht es zu einer Anleitung, wie man selbst die Brust abtastet.


Deshalb: Denkt an euch und an eure Kinder, Brustkrebsvorsorge ist der beste Schutz! 


4 Kommentare:

  1. Liebe chutriel,
    ich finde es ganz bewundernswert, wie offensiv du damit umgehst.
    Bei meiner Mama wurde mit 35 Brustkrebs entdeckt, mit 36 verstarb sie, trotz intensiver Chemo- und Strahlentherapie, es hatten sich Metastasen gebildet.
    Ich hatte auch mal eine Zeit lang darüber nachgedacht, den Gentest bei mir machen zu lassen, aber andererseits weiß ich nicht, ob ich "nur" mit Wahrscheinlichkeiten leben möchte - Gewissheit ist ja doch nicht da.

    Ich drücke dir jedenfalls die Daumen, dass die Tests unauffällig sind!
    glasgow.

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    1. Liebe glasgow,

      das stimmt natürlich. Im Endeffekt steht die Frage im Raum, was einem die Wahrscheinlichkeit überhaupt bringt. Darüber wird man zum Glück auch erstmal ausführlich beraten.

      Bei deiner Mama ging es dann ja ähnlich schnell wie bei meiner :(. Das ist auch das, was mir Angst macht. Weniger das tatsächliche Erkranken, denn (Brust-)Krebs zu bekommen ist ja generell nicht "unwahrscheinlich" und als Volkskrankheit irgendwie präsent.
      Aber in so jungen Jahren und so aggressiv? Vom Auftauchen bis zum sicheren Daransterben waren es bei meiner Mutter auch keine sechs Monate. Deshalb habe ich für mich nicht das Gefühl, dass mir die handelsübliche Krebsvorsorge alle halbe Jahr reichen würde, um mein Leben zu retten, sollte ich erkranken.

      Zumal meine Frauenärztin zugegeben hat, dass die Standard-Ultraschall-Geräte nicht ausreichend sind, um Krebs im sehr frühen und bei der aggressiven Art im noch behandelbaren Stadium zu entdecken.

      Deshalb: es geht nicht nur um die Wahrscheinlichkeiten, im Hinterkopf habe ich es eh, dann halt als "faktische" Zahl. Die macht mir aber weniger Angst. So erscheint mir eine Erkrankung zu 100% möglich, aber vielleicht sind es "nur" 20%. Wie ist das bei dir? Spuckt es dir nicht so doll im Kopf rum?

      Ich rechne auch nicht mit einer Gewissheit, sondern hoffe eine angepasste Krebsvorsorge mit den besten Geräten und durchgeführt von Fachärzten der Onkologie.

      Danke fürs Daumendrücken :). Dir drücke ich sie gerade aber sehr für deinen Endspurt <3 <3 <3!
      Liebe Grüße

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    2. Danke, aber der Endspurt zieht sich wohl noch.

      Bisher dachte ich eher, dass ich lieber nicht über erhöhte Risiken nachdenken möchte, weil ich mich damit vielleicht selbst verrückt machen würde - "Was hat da geziept?", "Ist das ein Knötchen?", "War das da gestern schon da?".
      Andererseits ist eine verbesserte Vorsorge vermutlich hilfreicher, als die Augen davor zu verschließen und auf das Beste zu hoffen.
      Hm, ich glaube, ich sprech das nach der SS mal bei meiner FA an. Sie hatte mich immerhin schon in meinem Wunsch zu einer Mammareduktion unterstützt, weil sie selbst auch sagte, dass eine große Brust schwerer zu überwachen sei.

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  2. Ich finde es krass, dass du dir in so jungen Jahren darüber Gedanken machen musst und drücke dir die Daumen, dass dein Risiko extrem gering ausfällt!

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